Springe zum Inhalt

Vor wenigen Tagen habe ich auf unserem Balkon eine Wespe gesehen, die erste in diesem Jahr, und mich nur gewundert, weil sie so früh im Jahr aufgetaucht ist. Im Nachhinein ergibt dieses aber einen Sinn.

Zwei Tage vorher hat Matthias einen auf dem gleichen Balkon deponierten Kaffeesack angehoben und darin eine graue Struktur entdeckt und mir gezeigt:

Es ist grau und hauchdünn. Erster Eindruck: das ist doch ein Wespennest! Der Blick von oben in diese Halbkugel hinein bestätigt das. Im Inneren sind erste sechseckige Zellen zu erkennen, die zentral in der Mitte angeordnet sind.

Der Clou: beim genauen Hinsehen sind in den Zellen stehende Eier zu erkennen. Im folgenden Bild wird das noch deutlicher.

In den Zellen sind an mindestens drei Stellen aufrecht stehende Eier zu erkennen.

Das heißt nachträglich folgendes: die beobachtete Wespe ist eine Wespenkönigin gewesen, die im Frühjahr aus ihrer Winterstarre, der Diapause, erwacht ist und nun ein neues Volk gründen wird. Diese Königin ist eine junge Königin, die erst im Herbst zuvor gebildet worden ist. Sie hat den Winter überlebt und startet nun als Einzelwesen mit der Volksgründung. Ihr Nest baut sie aus zerkauten Holzteilen mit einer papierartigen Masse.

Im letzten Herbst ist sie von Drohnen eines anderen Volkes begattet worden. Die (alten) Arbeiterinnen und Drohnen sterben spätestens im Winter ab. Im folgenden Frühjahr sucht die junge Königin sich ein geeignetes Plätzchen und beginnt dort mit dem Nestbau. Hier hinein legt sie einige wenige Eier, die sie zuvor befruchtet hat.

Aus ihnen entwickeln sich Larven, die von der Königin ernährt werden. Die Nahrung besteht aus einem Brei zerkauter Insekten. Nach der Fütterung sondern die Larven einen süßen Tropfen ab, der wiederum nun die Königin ernährt. Dies ist zugleich der Toilettengang der Larven. Zudem sondert die Königin ein Pheromon ab, das verhindert, dass aus den Larven befruchtungsfähige Weibchen werden. Stattdessen entwickeln sie sich zu unfruchtbaren Arbeiterinnen. Nach ihrem Schlupf übernehmen sie sämtliche Arbeiten im Nest bis auf das Eierlegen.

Im Laufe der Zeit sind genügend Arbeiterinnen geschlüpft, so dass die Königin das gebildete Nest nicht mehr verlassen muss, sondern nur noch ihre Eier legt und für Nachkommen sorgt.

Zur Familie der Wespen zählen übrigens auch die Hornissen.

In ihrem Verhalten zeigen sie deutliche Parallelen zu den Bienen. Es existiert eine klare Wesensverteilung: Königin, Arbeiterinnen, Drohnen, und eine ebenso deutliche Arbeitsteilung wie Brutpflege, Nestbau, Zellputz, Fütterung der Königin. Wie bei den Bienen könnte man hier also auch von einem Superorganismus sprechen.

Im Gegensatz zu den Bienen sterben bis auf die im Herbst neu geschlüpfte Königin alle Wespen ab. Das heißt, sie sind also nur einjährig. Ein vorhandenes Nest wird nicht wieder benutzt, sondern im Frühjahr durch die Königin neu gebaut.

Wie bei den Bienen entwickeln sich die Männchen, die Drohnen, aus unbefruchteten Eiern. Nach erfolgter Paarung mit einer nestfremden Königin sterben die Drohnen ab. Im Herbst stirbt auch die alte Königin und die neue sucht sich ein Winterquartier bis zum kommenden Frühjahr. Dann schließt sich der Kreislauf wieder.

Seit gestern bin ich aus den Piemonteser Alpen zurück. Während einer Wanderung vorgestern, leider unserer letzten, sprach mich eine Mitläuferin darauf an, ob ich nicht soeben die Bienen dort mit ihrem Nest gesehen habe. Ich hatte sie nicht gesehen, sondern war in meinen Gedanken beim Wandern auf der Suche nach Blumenmotiven gewesen.

An einem Stein hing eine tropfenförmige von sechseckigen Waben gebildete Struktur, etwa 7 cm lang. Bienen waren zunächst nicht zu sehen. Aber nach einem kurzen Warten kamen zwei "Ufos" an. Dies waren allerdings keine Bienen, sondern Wespen gewesen. Klassisch waren ihre Wespentaille zu sehen und die gelbe Färbung der Hinterleibsringe zu erkennen. Auch die Wabenstruktur beziehungsweise das Wabenmaterial passte nicht dazu. Bienen bauen ihre Waben aus Wachs und bevorzugen das Dunkel. Hier jedoch waren die Wände aschgrau und eher papier- oder pappefarben. Ein weiteres Argument gegen das Vorhandensein von Bienen an diesem Ort.

Apropos Ort: der Stein mit seinem Wabenanhangsgebilde lag ungeschützt dem Wetter ausgesetzt auf etwa 2000 Meter Meereshöhe oder sogar noch höher.

Im Val Varaita im Piemont an einem Stein

Wespennest im Val Varaita im Piemont

Selten sieht man ein solches Wespennest von außen, meistens sind sie verborgen.

Follow

Get every new post on this blog delivered to your Inbox.

Join other followers: